Schluss mit digital abgehängt: Schüler machen Senioren fit an Handy und Laptop

Ein Projekt am BSZ geht weit über Wissensvermittlung hinaus. Die Begegnung von Jugendlichen und älteren Bürgern fördert gegenseitige Wertschätzung – und beide Seiten lernen dabei.


von CLAUDIA LADWIG (Südkurier/ externer Link)

Ihre Schulzeit liegt lange zurück, doch kürzlich sitzen zehn Senioren wieder in einem Klassenraum. Seit einigen Jahren veranstaltet das Berufsschulzentrum Stockach mit der Klasse Berufskolleg Technik 1 jährlich einen Kurs in Datenverarbeitung, PC-Anwendung, Nutzung von Smartphone und Tablet für interessierte Senioren. Der frühere Schulleiter Karl Beirer hatte das Projekt initiiert, die Lehrerin Ursula Brugger-Dickscheid übernahm es in seinem letzten Amtsjahr.

Das Projekt ist Teil des Unterrichtsfaches Datenverarbeitung und besteht aus zwei Modulen. Das zweite findet im nächsten Schulhalbjahr statt. Im ersten Teil arbeitet ein Schüler eins zu eins mit einem Teilnehmer. Früher war das ein Unterricht an den PCs der Schule. Das hat sich geändert. Weil heute jeder sein eigenes Endgerät mitbringt, klärt die Lehrerin zuerst, mit welchen Geräten und Betriebssystemen sich die Jugendlichen gut auskennen, und teilt die Schüler entsprechend zu. Je nach Stundenplan, Raumkapazität und Anzahl der Schüler planen sie gemeinsam die Umsetzung des Projekts. Eines ist aber immer gleich, betont Ursula Brugger-Dickscheid: „Das Angebot ist kostenlos und das bleibt es auch.“

Das Projekt wird stets in der Presse veröffentlicht, die Anmeldung erfolgt übers Sekretariat der Schule. „Wir haben fast immer eine Warteliste, die Nachfrage ist sehr hoch“, so die Lehrerin.

Beide Seiten lernen voneinander

An den drei Projekttagen haben die Senioren ihre Smartphones, Tablets oder Notebooks dabei. Die Schüler hören zu und geben Tipps. Ursula Brugger-Dickscheid sagt: „Es kommen alle Fragen, die man sich vorstellen kann. Ich bin so stolz auf meine Schüler, wie sie sich darauf einlassen. Sie verlieren schnell die Angst, dass sie etwas nicht beantworten können. Manche Antworten müssen verschoben werden, manche Fragen können wir vielleicht auch nicht beantworten. Das ist ein wichtiger Lerneffekt für die Schüler.“

Die Jugendlichen seien mutig und wahnsinnig nett zu den Teilnehmern, beobachtet sie. „Sie übernehmen Verantwortung. Hier geht es ja auch um Begegnung. Die Generationen lernen sich kennen und es entsteht eine gegenseitige Wertschätzung.“ Schnell wird deutlich: Für die Lehrerin ist dieses Angebot ein Herzensprojekt. Eine Danach-Betreuung findet auch aus Datenschutzgründen jedoch nicht statt. „Diese Frage kam aber tatsächlich schon sehr häufig“, bestätigt sie lachend.

Ein Teilnehmer erzählt

Die zehn Teilnehmer dieser Gruppe – eine zweite trifft sich am nächsten Tag – kommen aus Stockach und den Teilorten und sind dankbar für das Projekt. Hermann Eberhard, 78, bringt es auf den Punkt: „Ich fühle mich ‚digital unterbelichtet‘. Als Senior wird man das Gefühl nicht los, abgehängt zu werden. Da ist dieser Kurs Gold wert.“ Schüler Steffen Speck hilft ihm beim Umgang mit seinem Handy, zeigt ihm, wie er Daten vom Handy auf seinem Laptop speichern und von dort auf ein neues Handy übertragen kann. Sie beseitigen auch den Datenmüll auf dem Rechner. „Wir sprechen über das Installieren neuer Apps, ein Antiviren-Programm oder das Ändern der Schriftgröße“, zählt Eberhard auf. Der Schüler rät ihm, sein altes Handy zur Sicherheit noch eine Zeit lang aufzuheben.

Auch Sieglinde Datum hat viele Fragen. Früher habe ihr Mann alles gemacht, sie sei nur Anwenderin gewesen, sagt sie und lobt Schüler Tobias Brugger für seine kompetente, sehr freundliche Art. Damit gibt er ihr Antworten zum Handy, zu Bildern auf dem PC, zum Drucker und einem überfüllten Speicher. „Ich erfahre, welche Programme man wirklich braucht, wie ich Spam erkenne, wie ich Daten gänzlich löschen kann und wie ich Geräte mit meinem Haupt-PC und dem Drucker verbinde.“

Tobias Brugger erzählt, er sei schon seit Kindertagen sehr begeistert von Computern und kenne sich gut aus. Auch seinen Großeltern helfe er und überlege, etwas in Richtung IT zu studieren. Die Seniorin hat sich seitenlange Notizen gemacht. „Tobias hat mir bei allen Fragen helfen können. Die ganze Gruppe mitsamt der Lehrerin ist sehr nett. Ich kann dieses Angebot absolut weiterempfehlen.“

Manche machen mehrfach mit

Neben ihnen sitzt Michaela Buhl, die verschiedene Fragen zu ihrem Smartphone hatte, mit der Schülerin Nicole Heine. „Sie macht das super, alles Ungereimte ist beseitigt“, so Buhl begeistert. Das Handy ähnle ihrem eigenen sehr, damit komme sie gut klar, erwidert die Schülerin bescheiden. Beim nächsten Treffen wollen sie Daten von Michaela Buhls alten Handys übertragen und sich mit dem Tablet beschäftigen.

Artur Joos war schon öfter als Teilnehmer dabei: „Ich finde es wirklich toll, wie das hier gestaltet wird.“ Christian Kalmbach, der ihm helfe, mache das sehr gut. Er selbst sei ja nicht so viel am Handy wie die Jugendlichen, da tue eine Auffrischung des Wissens immer gut, findet Joos. Ihn interessieren die unterschiedlichen Modi für Fotos, das Einstellen von Bildern bei Instagram und vor allem die Funktion AirDrop. Auch zum Umgang mit öffentlichem WLAN sowie der Kalenderfunktion und -benutzung und verschiedenen Apps hat er Fragen.

Mit vielen neuen Erkenntnissen gehen die knapp 90 Minuten zu Ende und die Teilnehmer freuen sich, dass eine Woche später noch ein weiterer Termin mit den jungen Leuten ansteht.