Die Respekt-Coaches leisten eine wichtige Arbeit für Sozialkompetenzentwicklung und politische Bildung an vielen Schulen – doch jedes Jahr drohen neue Kürzungen für ihre Finanzierung.
Respekt-Coach Johannes Renner im Klassenzimmer. | Bild: Dominique Hahn
Dass es in einem Klassenzimmer am Ende einer Doppelstunde Applaus gibt, dürfte an den meisten Schulen eher eine Seltenheit sein. Doch nachdem eine Klasse am Berufschulzentrum Stockach (BSZ) sich in der vergangenen Woche gemeinsam mit Respekt-Coach Johannes Renner 90 Minuten lang kritisch mit dem Thema Extremismus beschäftigt hat, passiert genau das. Doch trotz der positiven Rückmeldung von Seiten der Schüler müssen die Respekt-Coaches jedes Jahr aufs neue um die Finanzierung ihres Programms bangen.
Für Johannes Renner ist das genauso ein Ärgernis wie für Matthias Schalk, den stellvertretenden Schulleiter des BSZ. Denn beide sind überzeugt vom Wert dieses Programms. Respekt-Coaches besuchen Schulen und bieten Dort Workshops zu verschiedenen Themen im Bereich der Sozialkompetenzentwicklung und der politischen Bildung an. „Es ist sehr wichtig, dass das Programm fortgesetzt wird. Es geht hier um Toleranz und Demokratieerziehung. Wir können an den Schulen zwar einen Teil davon leisten, aber es ist einfach wichtig, dass auch Leute von außerhalb kommen, und ihre Sichtweise einbringen“, sagt Matthias Schalk.
„Es wäre fatal, wenn die Mittel für das Programm gestrichen würden“
Einen reflektierten Zugang zu Kriegen, Krisen und weltbewegenden Themen zu bekommen, sei für manch einen Schüler im privaten Rahmen gar nicht mehr möglich. Umso wichtiger sei die Auseinandersetzung damit an der Schule. „Ich denke, die Schule ist der richtige Ort dafür und es wäre fatal, wenn die Mittel für das Programm gestrichen würden“, so Schalk.
So sieht es auch Johannes Renner. „Ich verstehe nicht, warum so ein Programm nicht verstetigt wird“, sagt er. Eine seiner Kolleginnen sei wegen der großen Unsicherheit sogar schon abgesprungen, doch Renner will weitermachen. „Wir machen viele Workshops im Bereich der politischen Bildung, aber auch Teambuilding und sogar Kampfsport-Kurse. Es geht dabei um die Vermittlung von gegenseitigem Respekt“, so Renner.
An diesem Tag steht ein solcher Workshop am BSZ an. Mit einer Gruppe von 15 Schülerinnen und Schülern beschäftigt sich Renner mit dem Thema Extremismus. Im Klassenzimmer gibt es verschiedene Übungen, die Schülerinnen und Schüler positionieren sich zu unterschiedlichen Themen und sind aufmerksam dabei. Das ist deutlich im Klassenzimmer zu spüren.
Worum es in dem Workshop geht
Egal, ob es darum geht, sich darüber auszutauschen, woher die Schüler ihre Informationen beziehen, um die Frage, wo der Unterschied zwischen Hass und Meinung liegt, oder was den Ideologien von Kommunismus, Nationalsozialismus oder auch dem Islamischen Staat zugrunde liegt. Genauso zeigt Renner auf, welche Strategien Extremisten anwenden, um junge Menschen für ihre jeweiligen Ideologien anzuwerben.
Anhand von Beiträgen, die Johannes Renner zeigt, wird deutlich, dass die Schülerinnen und Schüler schon recht klar analysieren können, aus welcher extremistischen Richtung die jeweiligen Beispiele kommen. Auch die Unterscheidung von Hass und Meinung klappt schon zielsicher. „Bei Hass lässt man sich von Gefühlen leiten, beim Meinung sagen von seinem Kopf“, erklärt einer der Schüler.
Positives Fazit nach 90 Minuten
Johannes Renner zeigt sich zufrieden. „Ich hatte das Gefühl, ich konnte zu den Schülern durchdringen. Sie haben gute und reflektierte Antworten gegeben, das hat auch eine Wirkung auf die Schüler, die sich nicht so beteiligt haben. Ich denke, der Großteil hat etwas aus dem heutigen Workshop mitgenommen“, sagt Renner am Ende der Doppelstunde im Gespräch mit dem SÜDKURIER. Dadurch, dass solche Kurse am BSZ schon seit 2018 regelmäßig angeboten werden, hatten viele Schüler auch die Gelegenheit, gleich mehrfach von dem Programm zu profitieren.
Und die Schülerinnen und Schüler aus dem aktuellen Kurs? Wie fällt ihr Fazit aus? „Es war sehr gut“, rufen einige von ihnen auf die Frage des Reporters, dann gibt es Applaus für Johannes Renner. Er hofft, dass er auch in Zukunft weiterhin solche Workshops anbieten kann. Der Bedarf sei aus seiner Sicht da, macht er nochmals deutlich. „Kriege, Krisen und eine veränderte Lebenswelt durch die sozialen Netzwerke prasseln auf die Schüler ein“, sagt er. Da sei es wichtig, sich aktiv und dauerhaft mit solchen Themen auseinanderzusetzen.
Schon jetzt viele Einsparungen
„Sozialkompetenzentwicklung und politische Bildung werden immer gebraucht werden. Daher ist es meiner Ansicht nach sowohl sozial als auch politisch und ökonomisch betrachtet kurzsichtig und grob fahrlässig, im Bereich der Prävention bei jungen Menschen den Rotstift ansetzen zu wollen“, sagt Renner.
Im Vergleich zu 2023 sei das Budget für dieses Programm, das aus Bundesmitteln finanziert wird, um 33 Prozent gekürzt worden. Mit fatalen Folgen, wie Renner schildert, denn bundesweit sei damit die Zahl der in diesem Bereich beschäftigten Fachkräfte von 400 auf 200 gesunken. Allein bei der AWO, die zu den Trägern dieses Programms gehört, seien in diesem Jahr im Vergleich zu 2023 rund die Hälfte der Gruppenangebote weggefallen.
Text und Bilder: Dominique Hahn
Quelle: Südkurier (externer Link)